Diversity und Inklusion
24. Oktober 202126 Projekte auf dem Weg in die Welt
1. Dezember 2021Die Welt befindet sich in einem permanenten Wandel. Rassistische und rechtsextreme Einstellungen, Verhaltensweisen und Strukturen werden im Alltag, in Berichterstattungen und in Institutionen sichtbar. Dabei haben vor allem wachsender Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus Auswirkungen auf das Leben junger Menschen. Dieses gesamtgesellschaftliche Phänomen nimmt sich somit auch Raum und erhält Sichtbarkeit im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe. In der Praxis werden Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe mit der Herausforderung konfrontiert, damit umzugehen. Wie reagieren bei menschenverachtenden Verhaltensweisen? Wie lassen sich der Abbau von Vorurteilen und menschenfeindlichen Haltungen als konstante Aufgabe bei Trägern und Organisationen etablieren? Und wie lassen sich dafür Formate und Angebote internationaler Jugendmobilität nutzen? Die Internationale Jugendarbeit beschreibt in ihrem Selbstverständnis Völkerverständigung, Förderung der europäischen Integration, Abbau von Fremdenfeindlichkeit, Friedenssicherung und Demokratiestärkung als Zielkategorien. Das bedeutet, eine reflektierte internationale Lernerfahrung soll dabei unterstützen, dass die Teilnehmer*innen zu weltoffenen Bürger* innen werden. Sie leistet demnach nicht nur einen Beitrag zu der individuellen Biografie von Fachkräften, sondern auch für das Zusammenleben der Gesellschaft. Das Arbeitsfeld Internationale Jugendarbeit verfügt mit diesem Verständnis und Auftrag über gute Ansätze, die Themenfelder aufzugreifen, sie inhaltlich zu bearbeiten und dafür zu sensibilisieren. Auch die Projekte der Fachkräfteinitiative. International leisten einen Beitrag, dem oben beschriebenem Phänomen entgegenzuwirken. Denn es braucht gut ausgebildete Fachkräfte mit eigenen Mobilitätserfahrungen, die sich mit ihrem Wissen zu diesen Themenfeldern, aber auch mit der eigenen Haltung dazu beschäftigen und dies im internationalen Kontext reflektieren und weiterentwickeln.
Die Begriffe und Phänomene Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus sind komplex. Daher bedienen wir uns hier etablierter Kurzdefinitionen themenspezifischer Expert*innen. Die jeweiligen Quellen bieten weitere Fachtexte zur Vertiefung.
Antisemitismus
„Antisemitismus ist der Sammelbegriff für verschiedene Formen und Facetten von Judenfeindlichkeit. Eine eindeutige Definition des Begriffes gibt es nicht, er wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts geprägt, um die damals entstehende, rassistisch begründete Judenfeindschaft zu bezeichnen. […] Antisemiten schreiben Juden wegen ihres Jüdisch-Seins pauschale Eigenschaften zu. Sie halten Juden beispielsweise für geldgierig, minderwertig oder auch besonders mächtig. Ein typisches Motiv des Antisemitismus ist die sogenannte „jüdische Weltverschwörung“ oder die Rede vom sogenannten „internationalen jüdischen Finanzkapital“, das unter anderem für globale Wirtschaftskrisen verantwortlich gemacht wird.“
(Definition übernommen aus: https://www.bpb.de/lernen/grafstat/rechtsextremismus/173103/glossar)
Rassismus
„Rassismus ist die Konstruktion von Differenzen äußerlicher und/oder kultureller Art, die mit einer Dichotomie der Gesellschaft in die, die dazu gehören („wir“), und die, die nicht dazu gehören („ihr“), einhergeht. Die physiognomischen und/oder kulturellen Differenzierungen werden mit positiven („wir“) oder negativen („ihr“) Merkmalen (Charakter, Moralität, Vernunftbegabung …) verknüpft. Die bestehenden Machtverhältnisse (Mehrheitsverhältnisse, Gesetzgebung, Geld, Staatsgewalt, Zugang zu Medien …) setzen die Etablierung eines gesellschaftlichen „Wissens“ um diese Differenzen und Zuschreibungen durch und ermöglichen damit Ausgrenzung und Unterdrückung gegenüber den als nicht-dazugehörig Definierten. Gleichzeitig kann Rassismus als Rechtfertigung bestehender Verhältnisse von gesellschaftlicher Ungleichheit und als Legitimation von Herrschaft und Unterwerfung dienen. Die gesellschaftliche, strukturelle Verankerung dieser Gewalt- und Entmenschlichungspraxen verweist auf Rassismus als Phänomen der Mitte der Gesellschaft, das zwar in Handlungen einzelner Individuen zum Ausdruck kommen kann, ohne die gesellschaftliche Verankerung aber nicht erklärbar ist. Rassismus unterliegt unterschiedlichen historischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und manifestiert sich dementsprechend in differenten gesellschaftlichen Praxen, so dass sinnvoller Weise von Rassismen gesprochen wird.“
(Definition übernommen aus: https://www.ida-nrw.de/ themen/rassismus/gegenwart)
Rechtsextremismus
„In dem Begriff steckt das lateinische Wort „extrem“. Menschen, die Extremisten sind, lehnen die Regeln ab, nach denen unser demokratischer Staat funktioniert. Sie wollen sie sogar abschaffen. Wer extremistisch ist, will keine Toleranz und Offenheit gegenüber Menschen, die anderer Meinung sind. Rechtsextremisten wollen den Staat mit Gewalt verändern. Sie treten meistens in kleinen Gruppen auf und sind oft sehr gewalttätig. […] Vorbilder für diese menschenverachtende Einstellung sind häufig der Nationalsozialismus und der Faschismus. Daher spricht man bei rechtsextremistischen Gruppen heute oft von Neonazis (neuen Nationalsozialisten).“
(Definition übernommen aus: https://www.bpb.de/lernen/ grafstat/rechtsextremismus/173103/glossar)
Viele Studien und Statistiken beschäftigen sich mit den genannten Themenschwerpunkten. Hier eine exemplarische Auswahl aktueller Daten:
Selten war die gesellschaftliche Mitte so „gefordert“ wie heute. Rechtsextremismus, Populismus, Rassismus setzen ihr zu. Alle zwei Jahre untersucht die Mitte-Studie der Friedrich- Ebert-Stiftung rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in der deutschen Gesellschaft. In ihrer repräsentativen Umfrage von Dezember 2020 bis Frühjahr 2021 heißt es: Die „Mitte“ ist gefordert, Haltung zu zeigen, Position zu beziehen und ihre Demokratie zu stärken! Dazu hat sie das Potenzial. Mehr Informationen dazu finden Sie hier: Die geforderte Mitte: Die neue Rechtsextremismus- Studie (fes.de)
Leipziger Autoritarismus-Studie 2020:
Die Leipziger Studien zu autoritären und rechtsextremen Einstellungen in Deutschland werden seit 2002 alle zwei Jahre von einer Arbeitsgruppe um Oliver Decker und Elmar Brähler der Universität Leipzig durchgeführt. Ein zentrales Ergebnis: Ethnozentrische Einstellungen, Chauvinismus und Ausländerfeindlichkeit sind weiterhin auf hohem Niveau. https://www.boell.de/de/ leipziger-autoritarismus-studie
Der Bundesinnenminister kommt bei der Vorstellung der polizeilichen Kriminalitätsstatistik und der Fallzahlen der politisch motivierten Kriminalität 2019 zu dem Ergebnis, die größte Bedrohung gehe weiterhin vom Rechtsextremismus aus. Rechtsextreme Straftaten haben demnach um 9,4 Prozent zugenommen und machten mit 54,3 Prozent weiterhin mehr als die Hälfte aller registrierten Straftaten aus. Im Jahr 2019 hätten die Straftaten im Themenfeld Hasskriminalität um insgesamt 5,8 Prozent zugenommen. Dabei stiege die Zahl der gemeldeten antisemitischen Straftaten um 13 Prozent. Sie erreiche mit über 2.000 Delikten den höchsten Stand seit Beginn der statistischen Erfassung vor fast 20 Jahren.
- https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/ kurzmeldungen/DE/2020/05/vorstellungpks- pmk-2019.html
- https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/ Deliktsbereiche/PMK/PMKrechts/ PMKrechts_node.html
- https://de.statista.com/statistik/daten/ studie/4721/umfrage/ vergleich-der-anzahl-von-rechtenund- linken-gewalttaten/
Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu bekämpfen – das ist auch ein Anliegen der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration:
„Die Voraussetzung, um Rassismus wirksam zu bekämpfen, ist Rassismus zu erkennen und klar zu benennen“ (Staatsministerin beim Bundeskanzler und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Reem Alabali-Radovan (SPD)) https://www.integrationsbeauftragte.de/ ib-de/staatsministerin/ rechtsextremismus-rassismus-antisemitismusund- andere-formen-gruppenbezogenermenschenfeindlichkeit- bekaempfen-1937528
Hier befinden sich aktuelle Beiträge zu den Themenfeldern Demokratie und Menschenrechte von IJAB:
- https://ijab.de/themen/ demokratie-und-menschenrechte/ aktuelle-beitraege-zu-demokratieund-menschenrechten
- https://ijab.de/themen/demokratie-undmenschenrechte/ aktuelle-beitraege-zudemokratie-und-menschenrechten/mehr-politische-bildung-fuer-dieinternationale-jugendarbeit
Demokratiebildung in der Internationalen Jugendarbeit: Ijab Journal 1/2021
Schriftenreihe Innovationsforum Jugend global: IJAB (Hrsg.):
- Rechtsextremismus und Rassismus als Themen in der Internationalen Jugendarbeit. Bonn 2014; https://ijab.de/bestellservice/ rechtsextremismus-und-rassismus-alsthemen-in-der-internationalen-jugendarbeit
- Politische Dimension der Internationalen Jugendarbeit: https://ijab.de/fileadmin/redaktion/PDFs/Shop_PDFs/IFJG_poldim.pdf
IJAB journal 1/2018: Im Fokus: Jugend verbinden – Demokratie stärken; https://ijab.de/bestellservice/ijab-journal-12018
IJAB Positionspapier (2018): Internationale Jugendarbeit für Vielfalt und Demokratie Standortbestimmung angesichts menschenfeindlicher und extremistischer Strömungen
https://ijab.de/fileadmin/redaktion/PDFs/ Stellungnahmen/2018-IJAB-Positionspapier_Vielfalt_und_Demokratie.pdf
Radikalisierungsprävention und Demokratieförderung stärken durch Internationalen Fachaustausch (2019): New Perspectives against Radicalisation (DE)
Schriftenreihe Internationale Jugendmobilität / Ausgabe 2017: Internationale Jugendarbeit im Kontext aktueller politischer Entwicklungen: https://www.forschung-undpraxis- im-dialog.de/publikationen/schriftenreihe-internationale-jugendmobilität/
Fachtagung: Aktuelle politische Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf die Internationale Jugendarbeit 22. Februar 2017, Berlin: https://ijab.de/bestellservice/dokumentation-der-fachtagung-aktuellepolitische-entwicklungen-und-ihreauswirkungen-auf-die-internationalejugendarbeit
Toolbox Religion (2009): Die Publikation soll Leiter*innen von internationalen Jugendbegegnungen dabei unterstützen, in Gruppen mit multireligiöser Zusammensetzung zu arbeiten: https://ijab.de/angebote-fuer-die-praxis/toolbox-religion
Toolbox internationale Begegnungen (2011): Internationale Jugend- und Fachbegegnungen organisieren – Wie geht das, was ist zu tun? Die Toolbox „Internationale Begegnungen organisieren“ dient als Leitfaden und Orientierungshilfe: https://ijab.de/angebote-fuer-die-praxis/ toolbox-internationale-begegnungen-organisieren
Publication on a Pilot Training Seminar & expert Meeting Held in June 2017: Combatting Hate Speech through Human Rights Education within International Youth Work
No hate speech-Movement: Die No hate- Speech-Kampagne in Deutschland ist Teil der internationalen Bewegung, ausgerufen durch den Europarat in 2012. Sie wird durch den Verein Neue deutsche Medienmacher e. V. koordiniert. IJAB ist langjähriges Mitglied im Nationalen Kampagnen Komitee: https://no-hate-speech.de/de/netzwerk/ und https://no-hate-speech.de/de/netzwerk/das-nationale-komitee-in-deutschland/
Folgende Hilfestellungen bietet das Netzwerk:
- Kostenlose Beratung und Verweis auf andere Beratungsstellen für Opfer von digitaler Gewalt auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene (HATE AID, DAS Netz etc.)
- Gesetzliche Grundlagen: https://no-hate-speech.de/de/wissen/
- Expert*innendatenbank: https://neuemedienmacher.de/helpdesk/artikel/austausch-stammtisch
- Fortbildungsangebote: https://neuemedienmacher.de/helpdesk/artikel/austausch-stammtisch
Darüber hinaus sind eine Reihe von Print- und Online-Publikationen, die methodisches Handwerkzeug vermitteln, in verschiedenen Sprachen kostenlos verfügbar, zum Beispiel COMPASS.
IDA-NRW will die Auseinandersetzung mit Rassismuskritik und Rechtsextremismus vorantreiben und Institutionen der Jugendhilfe und Schule bei der Entwicklung einer – der Migrationsgesellschaft angemessenen – Pädagogik unterstützen: www.ida-nrw.de
Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist die unabhängige Nationale Menschenrechtsinstitution Deutschlands. Es setzt sich dafür ein, dass Deutschland die Menschenrechte im Inund Ausland einhält und fördert. Das Institut begleitet und überwacht zudem die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und der UN-Kinderrechtskonvention und hat hierfür entsprechende Monitoring-Stellen eingerichtet: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/
Die Aufgabe der Bundeszentrale für politischen Bildung (bpb) ist es, Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das demokratische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken: Extremismus und Radikalisierung | bpb
Solidarität ist einer der Grundwerte der Europäischen Union. Das Europäische Solidaritätskorps ist eine großartige Chance für junge Menschen, sich freiwillig für ein soziales und vielfältiges Europa zu engagieren: Europäisches Solidaritätskorps (solidaritaetskorps.de)